Die Coronavirus-Pandemie ist bereits fester Bestandteil des Alltags geworden. Doch wie lange noch? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Seuchen auf ganz unterschiedliche Weise kamen und gingen. Und uns so manchen Fortschritt beschert haben.

Im Frühjahr 1346 verbreiten sich in Südeuropa angsteinflößende Gerüchte von einer rätselhaften Krankheit, die sich aus Asien nach Westen vorarbeitet. Und schon bald hat die Seuche das östliche Mittelmeer erreicht.

Seit Pest Krankheiten keine Strafe Gottes mehr

Die Krankheit wird durch ein Bakterium ausgelöst, das durch Flöhe, die sich auf Ratten und anderen Nagetiere vermehren, auf den Menschen übertragen wird. Menschen, die die Pest überlebt haben, sind ihr restliches Leben lang immun. Doch bis die erste Pest-Welle 1353 endet, hat die Seuche etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas dahingerafft. Und die Welt nach der Pest ist eine andere als zuvor. „Es gibt viele Philosophen und Historiker, die sagen, es war die Pest, die das Mittelalter beendet hat“, so der Historiker Klaus Bergdolt. Die Pest habe viele Fragen aufgeworfen, die die Menschen vorher im vollen Vertrauen auf die göttliche Ordnung so nicht gestellt haben.

Die Bekämpfung der Pest hat die moderne Medizin als Wissenschaft auf den Weg gebracht. Krankheiten werden seither nicht mehr als Gottesstrafe gesehen, sondern als Ereignisse, die genaue Ursachen haben und die bekämpft werden können.

Cholera brachte Kanalisations-System

So wie die Cholera. Diese Krankheit wird durch mit Bakterien verunreinigte Lebensmittel oder Trinkwasser ausgelöst. Wer an Cholera erkrankt, droht binnen Stunden zu sterben, wenn er keine ärztliche Hilfe erhält.

Seit dem Jahr 1817 hat die WHO sieben Cholera-Pandemien ausgemacht in denen hunderttausende Menschen gestorben sind. Die Seuche tritt besonders in den großen, schnell wachsenden Metropolen Europas auf – immer dann, wenn Kanalisation und Städte nicht gleich stark wachsen. Heute kann man sagen, die Cholera-Wellen, haben unseren Städten das vorbildliche Kanalisations-System hinterlassen. Überwundene Pandemien sind oft der Motor für nachhaltige Verbesserungen der Lebensqualität, meint der Medizinhistoriker Heiner Fangerau. So hätten sie einen Einfluss auf die Entwicklung von Infrastruktur, da die Pandemie als Auslöser genommen werde, um Infrastruktur umzusetzen.


„Das beste Beispiel sind die Cholera-Züge im 19. Jahrhundert, die große Investitionen in die Kanalisation der Städte nach sich gezogen haben. Oder der Aufbau von Kläranlagen, um das Trinkwasser zu verbessern. Das ist eine unmittelbare Folge eines pandemischen Geschehens.“ Heiner Fangerau, Medizinhistoriker

Spanische Grippe lange für bakterielle Infektion gehalten

Als 1918 der erste Weltkrieg in seiner Endphase tobt, ist die Welt nur schlecht darauf vorbereitet: Es verbreitet sich ein Grippevirus, der die sogenannte „Spanische Grippe“ auslöst. Der damals rätselhaften Krankheit fallen weltweit etwa 50 Millionen Menschen, besonders auch junge gesunde Menschen zum Opfer. Die damalige Medizin ist weitgehend machtlos, da diese einem Irrtum erliegt. Die damaligen Forscher gehen davon aus, die Erkrankung sei durch ein bestimmtes Bakterium hervorgerufen, erklärt der Seuchenhistoriker Wilfried Witte von der Berliner Charité.

„Darüber hinaus stellte man sich aber doch die Frage, ob es nicht doch etwas Drittes sein konnte, das so klein ist, dass man es mit dem Lichtmikroskop nicht sieht. Und dafür gab es auch durchaus schon den Begriff des Virus.“ Wilfried Witte, Seuchenhistoriker

Erst in den 1940 Jahren kann man das Grippevirus mit einem Elektronenmikroskop auch sehen. Und seit 1944 kann man gegen Grippeviren Impfstoffe herstellen. Die sogenannte Spanische Grippe ging nach drei brutal wütenden Wellen bis zum Jahr 1919 vorüber. Vermutlich, weil sich der Virus stark verändert hat und nicht mehr so gefährlich war. Obwohl die Krankheit über doppelt so viele Opfer wie der erste Weltkrieg gefordert hat, ist sie weitgehend in Vergessenheit geraten.

Globale Seuchen in gewissen Abständen keine Ausnahme

Die gewärtige Corona-Pandemie sollte uns aber daran erinnern, dass globale Seuchen in gewissen Abständen eher der Normalfall sind als die Ausnahme, meint Medizinhistoriker Fangerau.

„Als Historiker finde ich es so überraschend, dass wir so überrascht sind. Wir haben uns im 20. Jahrhundert an die Idee gewöhnt, wir hätten immer alles unter Kontrolle. Und diese Kontrolle ist uns diesmal entglitten.“ Heiner Fangerau, Medizinhistoriker

Seuchen könnten immer wieder kommen. Daran werden wir uns einfach erinnern müssen, sagt Fangerau.