Tabletten, Säfte, Pulver – viele pflegende Angehörige müssen täglich Medikamente vorbereiten, anreichen oder verabreichen. Diese Aufgabe ist manchmal gar nicht so einfach und erfordert etwas Pflegewissen. Schnell ist etwas verwechselt, vergessen oder gar ein Medikament überdosiert. Umso wichtiger ist es, dass Sie bei der Medikamentengabe systematisch vorgehen und sich an einen strikten Medikamentenplan halten. pflege.de liefert Ihnen einen Überblick, was Sie bei der Medikamentengabe in der häuslichen Pflege beachten müssen.
Medikamentengabe in der häuslichen Pflege
Hand aufs Herz: Wissen Sie ganz genau, welche Medikamente (auch Arzneimittel, Arzneien oder Pharmaka genannt) Ihr pflegebedürftiger Angehöriger einnimmt, wofür sie sind und wie diese wirken? Wissen Sie, wie sie dosiert werden und wann Sie sie verabreichen müssen? Vielleicht kommen Sie jetzt ins Grübeln oder aber Sie werfen einen beruhigten Blick auf den aktuellen Medikationsplan des zuständigen Haus- oder Facharztes. Damit fahren Sie immer gut!
Medikamentenplan erstellen
Ob es nun ein oder mehrere Medikamente sind, die Sie regelmäßig verabreichen müssen – ein Medikamentenplan gibt Ihnen Sicherheit. Darin notieren Sie oder Ihr behandelnder Arzt unter anderem folgende wichtige Informationen:
- Handelsname des Medikaments
- Chemische Bezeichnung des Wirkstoffs
- Dosierung
- Zeitpunkt der Einnahme
- Darreichungsform (zum Beispiel fest als Tablette oder flüssig als Tropfen)
- Indikation (Grund für die Einnahme)
- Behandlungsende
- Hinweise zur Einnahme (zum Beispiel auf nüchternen Magen)
Ein Medikamentenplan oder Medikationsplan erleichtert Ihnen nicht nur bei der täglichen Pflege und Betreuung zu Hause die Übersicht. Er ist auch dann unverzichtbar, wenn Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen z. B. in einer Tagespflege Einrichtung betreuen lassen oder durch Verhinderungspflege einmal bei der Pflege vertreten werden wollen . Jeder, der Ihren Dienst übernimmt, erhält auf einen Blick die wichtigsten Informationen, und damit bleibt die ideale Versorgung Ihres pflegebedürftigen Angehörigen sichergestellt. Darüber hinaus ist der Medikationsplan die Grundlage, wenn Sie Ihre Medikamente von der Apotheke verblistern lassen möchten.
Medikamentenplan-App
Mehrere Medikamente täglich zu den richtigen Zeiten zu verabreichen ist manchmal durchaus kompliziert. Daher wurden in den letzten Jahren auch viele Apps entwickelt, die entweder Sie als Pflegeperson oder die Betroffenen selbst via Smartphone-App an die Einnahme von Medikamenten erinnern. Als Beispiele zwei häufig genutzte Medikamentenplan-Apps:
Medisafe App
Die Medisafe App fürs iPhone erinnert Nutzer pünktlich an die Medikamenteneinnahme, so dass man es im Pflegealltag nicht vergisst. Über die App kann man zusätzlich den Vorrat an Medikamenten verwalten, so dass man jederzeit weiß, wann man ein neues Rezept benötigt.
MedPlaner App
Die MedPlaner App (für Android und iOS) hilft bei der Erinnerung an die Medikamenteneingabe ebenfalls weiter. Auch sie ist kostenlos erhältlich und kann den Pflegealltag vereinfachen. Darin kann man z. B. auch die Einnahme dokumentieren und Sie oder der behandelnde Arzt können jederzeit nachvollziehen, wann welches Medikament eingenommen wurde.
Medikamentengabe im Vorfeld planen
Nehmen Sie sich an einem Tag in der Woche Zeit, um die Medikamente für Ihren pflegebedürftigen Angehörigen in Ruhe vorzubereiten. So vermeiden Sie Fehler bei der Verabreichung, wenn ein Tag mal etwas hektischer verläuft. In der Apotheke finden Sie Medikamentendispenser, die mit dem jeweiligen Wochentag beschriftet sind und Fächer für morgens, mittags, abends und nachts bereithalten.
Einige Apotheken nehmen Ihnen den Aufwand ab, die Medikamente zu stellen. Auf Basis des Medikationsplans erhalten Sie die Medikamente dann in einem Schlauchblister zugeschickt. Für jeden Einnahmezeitpunkt sind die Medikamente sortiert und müssen nur noch ausgepackt werden.
Ändern sich die Medikamente Ihres Angehörigen häufiger oder steht in der Woche ein Arztbesuch an, bei dem die Medikation voraussichtlich geändert wird, empfiehlt es sich, die Arzneimittel jeweils nur für einen Tag im Voraus vorzubereiten.
Auch für den Notfall immer vorsorgen
Muss Ihr pflegebedürftiger kurzfristig ins Krankenhaus, sollten alle wichtigen Medikamente und Dokumente griffbereit liegen. Ein Notfallpass beinhaltet alle relevanten Patienteninformationen, die dem medizinischen Personal im akuten Notfall lebenswichtige Hinweise geben können. Aus Ihrem Notfallpass sollten folgende Informationen auf einen Blick hervorgehen:
- Ihr Name
- ein aktuelles Portraitfoto von Ihnen
- Ihr Geburtsdatum
- Ob Sie Organspender sind
- Allergien/ Unverträglichkeiten
- Chronische Krankheiten
- Spezielles/ Wichtiges
- Regelmäßige Medikamente
- Name und Anschrift Ihres Hausarztes
- Name und Kontaktdaten einer ausgewählten Person, die im Notfall kontaktiert werden soll
Ein zusätzlicher Medikamentenausweis ist vor allem bei Menschen sinnvoll, die aufgrund mehrerer Krankheiten mehr als drei Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Für sogenannte multimorbide Menschen kann der Medikamentenausweis lebensrettend sein. Er weist Ihren Ersthelfer im akuten Notfall auf mögliche Notfallmedikamente hin und erklärt ihm, wie die Medikation verabreicht werden muss. Wenn kein Medikationsplan auf die Schnelle gefunden wird, können die Informationen im Medikamentenausweis gefährliche Wechselwirkungen zwischen Medikamenten vermeiden.
Medikamentenplan/Medikationsplan: seit 2016 Pflicht
Seit dem 1. Oktober 2016 haben alle Patienten, die mindestens drei vom Arzt verordnete Medikamente nehmen müssen, einen Anspruch auf einen Medikamentenplan/Medikationsplan. Das heißt genau: Der Arzt schreibt konkret auf, welche Medikamente er mit welcher Dosierung verordnet hat. Auf dem Medikamentenplan/Medikationsplan sollten folgende Angaben für jedes Medikament gelistet sein: Wirkstoff, Handelsname, Stärke, Darreichungsform, Dosierung und Hinweise zur Einnahme. Einmal jährlich soll dieser Medikamentenplan vom Arzt, Krankenhaus oder Apotheker aktualisiert werden.
Der Bundeseinheitliche Medikationsplan enthält zudem einen 2D-Code, in dem alle Informationen zur Verblisterung für die Apotheken der Patienten enthalten sind.
6-R-Regel oder 10-R-Regel für die Medikamentengabe: Merkhilfe
In der professionellen Pflege müssen Pflegekräfte viele Patienten mit einer Vielzahl von Medikamenten versorgen. Damit dabei alles seine Richtigkeit behält, arbeiten Pflegekräfte mit Merkhilfen zur Kontrolle der richtigen Ausgabe von Medikamenten, z. B. mit der sog. 6-R-Regel, manche sogar mit der sog. 10-R-Regel:
6-R-Regel | 10-R-Regel | |
1 | Richtiger Patient | Richtiger Patient |
2 | Richtiges Arzneimittel | Richtiges Arzneimittel |
3 | Richtige Dosierung (Konzentration) | Richtige Dosierung (Konzentration) |
4 | Richtige Applikation (Art der Verabreichung) | Richtige Applikation (Art der Verabreichung) |
5 | Richtiger Zeitpunkt | Richtiger Zeitpunkt |
6 | Richtige ärztliche Anordnung | Richtige ärztliche Anordnung |
7 | Richtige Aufbewahrung | |
8 | Richtiges Risikomanagement | |
9 | Richtige Dokumentation | |
10 | Richtige Entsorgung |
Sie können diese Merkhilfe auch als private Pflegeperson in der häuslichen Pflege verwenden, wenn Sie Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen Medikamente verabreichen. Wenn Sie dafür auch noch eine Pillendose bzw. einen Medikamentendispenser verwenden, haben Sie die Tabletten für einen Tag bzw. eine ganze Woche immer zur Hand.
- Verabreichen von festen Medikamenten:
Feste Medikamente werden meistens für einen Tag oder eine ganze Woche in einer Pillendose bzw. einem sog. Medikamentendispenser bereitgestellt. - Verabreichen von halbfesten Medikamenten:
Halbfeste Medikamente werden i. d. R. direkt während der alltäglichen Pflege angewandt und auf die Haut aufgetragen. - Verabreichen von flüssigen Medikamenten:
Flüssige Medikamente werden meist erst kurz vor Einnahme auf einem Löffel oder in einem kleinen Becher zur Einnahme für den Betroffenen bereitgestellt.
Applikationsformen von Medikamenten (Verabreichungsformen)
Die Darreichungsform des Arzneimittels kann also höchst unterschiedlich sein – und das gilt auch für die Applikationsform. Unter „applizieren“ wird in der Fachsprache das Verabreichen eines Medikamentes verstanden. Drei Applikationsformen gibt es:
- Enteral („den Verdauungstrakt betreffend“): Das Medikament wirkt über den Verdauungstrakt, kann also über den Mund („oral“, „per os“ durch enterale Ernährung, über die Mundschleimhaut („sublingual“) oder über den Enddarm („rektal“, z. B. Zäpfchen) eingenommen werden.
- Parenteral („den Verdauungstrakt umgehend“): Das Medikament würde z. B. durch die Magensäure zerstört oder nur vermindert wirken, deshalb wird es bei der parenteralen Ernährung z. B. gespritzt (Injektion).
- Topisch/lokal („die örtliche Lage betreffend“): Das Medikament wird an der Stelle oder dem Organ verabreicht, an dem es wirken soll.
Richtige Arzneiform & Applikationsart wählen
Die Wahl der richtigen Arzneiform und der damit zusammenhängenden Applikationsart müssen Sie glücklicherweise nicht selbst treffen – zumindest nicht, wenn es um ärztlich verordnete Medikamente geht. Da dürfen Sie sich auf den medizinischen Sachverstand des Experten verlassen. Sie sollten jedoch darauf achten, dass Arzneiform und Applikationsart auch für Ihren pflegebedürftigen Angehörigen geeignet sind. Wenn Sie feststellen, dass sich Ihr pflegebedürftiger Angehöriger ein Schmerzpflaster immer wieder abreißt, sollten Sie mit dem Arzt über eine andere Arzneiform und Applikationsart sprechen. Das gilt auch, wenn Kapseln sehr groß sind und nur schlecht oder gar nicht geschluckt werden können.
Beobachten Sie die Verträglichkeit
Achten Sie darauf, ob Ihr pflegebedürftiger Angehöriger ein Medikament gut verträgt. Jedes Medikament hat Wirkungen, Nebenwirkungen und auch Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Gerade bei Neuverordnungen sollten Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen genau beobachten: Verträgt er das Medikament? Wie gut klappt es mit der Arzneiform? Fällt es Ihrem Angehörigen schwer, seine Tabletten zu schlucken? Oder wirkt er seit Einnahme des Medikaments verändert, zum Beispiel sehr unruhig oder blass im Gesicht?
Ärztliche Verordnung über Medikamentengabe
Jedes Rezept, das Sie erhalten, ist eine sogenannte „ärztliche Verordnung“. Diese gibt es auch für die Medikamentengabe. Zum Beispiel dann, wenn der Pflegebedürftige nicht allein in der Lage ist, seine Medikamente so einzunehmen, wie es der Arzt verordnet hat, oder wenn Sie als pflegende Angehörige ein angeordnetes Medikament (z. B. eine Infusion) nicht geben können. In diesem Fall brauchen Sie Unterstützung von den Profis bei der Behandlungspflege durch den Pflegedienst.
Ab dem 01.01.2022 kann Ihnen der Arzt auch ein elektronisches Rezept oder E-Rezept ausstellen. Dies erleichtert die Kommunikation mit Ihrer Apotheke, wenn Sie Medikamente verblistern lassen möchten. Bei vielen Apotheken können Sie Ihre Rezepte hochladen und sich die Me
Die nachfolgende Grafik gibt Ihnen einen anschaulichen Überblick über die verschiedenen Arzneiformen.
Medikamentengabe vom Pflegedienst: Pflegegrad erforderlich?
Bei medizinischer Notwendigkeit können die Leistungen des ambulanten Dienstes auch über die Krankenversicherung (SGB V) abgerechnet werden. Ein anerkannter Pflegegrad ist hierfür nicht erforderlich.
Medikamentengabe: Was muss ich als Angehöriger beachten?
Wenn Sie als pflegender Angehöriger Medikamente verabreichen, müssen Sie sich sicher sein, dass Sie das auch wirklich können. Die folgenden fünf Kriterien sind sozusagen die Basis Ihres Handelns:
- Sie kennen die Medikamente und ihre Wirkweise.
- Sie verfügen über einen aktuellen Medikamentenplan.
- Sie beherrschen die richtige Applikationsart.
- Sie halten sich an die Angaben im Medikamentenplan. Informieren Sie sich hier beim behandelnden Arzt, unter welchen Umständen bestimmte Medikamente womöglich auch nicht genommen werden dürfen.
- Sie beobachten genau, wie die Medikamente wirken und ob die jeweilige Arzneiform auch die richtige für Ihren pflegebedürftigen Angehörigen ist.
Es ist wichtig, dass Sie auch darauf achten, wie Sie Ihrem Angehörigen die Arzneimittel verabreichen. Wenn Sie ihm beispielsweise bei einer Schluckstörung die Einnahme durch Zerkleinern oder Zermörsern der Tabletten erleichtern wollen, sollten Sie sich dazu vorab unbedingt mit dem Arzt oder Apotheker abstimmen. Denn nicht alle Tricks können bei jedem Arzneimittel angewendet werden, da sie möglicherweise die Wirksamkeit beeinträchtigen könnten. Fragen Sie daher Ihren Arzt oder Apotheker, ob das Medikament zerkleinert oder gemörsert werden darf oder womöglich auch zusammen mit einem Löffel Joghurt eingenommen werden kann.